Essen mit Stil

Bon Appetit! Anders als heutzutage ging es bei Charles II nicht primär um die Nahrungsaufnahme, wenn er sich zu Tisch begab. In reich geschmückten Zimmern mit prächtigen Deckenmalereien, knienden Dienern und ausgesuchten Delikatessen hat der König sich selbst beim Essen inszeniert. Aber wie liefen diese glanzvollen Mahlzeiten wirklich ab? Und wie wurde der Raum arrangiert, um die Rangfolge auch beim Essen zur Anschauung zu bringen?

 

 

Elterliches Vorbild

Halle im Schloss in welcher die genannten Mitglieder der königlichen Familie vor ihren Gästen und ihrer Bedienung speisen.
Gerrit Houckgeest, Charles I, Queen Henrietta Maria und der Prince of Wales speisen in der Öffentlichkeit, 1635 (Kat. Nr. 4.1)

Die königlichen rituellen Mahlzeiten vor einem Publikum haben nicht erst mit Charles II begonnen. Das Hofzeremoniell seines Vaters war in den 1630er Jahren das strengste in ganz Europa. Er legte unter anderem Wert darauf, dass die Diener ihm das Essen auf Knien bringen sollten. Auch unter Charles II war das noch der Fall.

„[Die Zuschauer sollen] stay towards the lower end of the chamber, & shall not presse too neare the table whereby the rome may be pestered, & our service hindered.“
(TNA, LC5/180 fol. 10v, cf. BL, Stowe MS 562, fol. 5v)

Dieses Gemälde stammt nicht aus der Regierungszeit von Charles II, sondern aus seiner Kindheit. Als fünfjähriger Kronprinz (Prince of Wales) speist er hier zusammen mit seinen Eltern, dem König Charles I und der Königin Henrietta Maria, während eine große Menge an Dienern ihnen aufwartet und ein Publikum zuschaut.

Unter Charles I sollten die Zuschauer einen gewissen Abstand halten. Auch Charles II hat Distanz geschätzt und eine physische Barriere in Form einer Balustrade eingeführt. Die Zuschauer wurden in das Speisezimmer eingelassen, solange sie Personen von „good Quality“ waren, die angemessene Kleidung trugen. Diese vage Formulierung ließ auch Menschen aus anderen Schichten als dem Adel oder dem Klerus zu. Somit wurden unter Charles II noch mehr Menschen zugelassen, die die Zeremonie beobachten konnten.

– Y. Tj.

 

Essen mit den Göttern

Deckenbild mit Gottheiten der römischen Mythologie
Peter Vandrebanc nach Antonio Verrio, Deckenbild im King’s Presence Chamber von Windsor Castle, ca. 1682–1686 (Kat. Nr. 4.2)

Im King’s Presence Chamber fand unter Charles II mindestens einmal in der Woche ein öffentliches Mittagessen (dinner) vor Publikum statt. Das Frühstück und das Abendessen (supper) wurden im Gegensatz dazu privat eingenommen.

Antonio Verrio, der rund 20 Deckenbilder in Windsor Castle schuf, stattete auch das King’s Presence Chamber mit einem Deckengemälde aus. Vandrebancs Stich gibt den Mittelteil der Dekoration wieder und überliefert das Aussehen des heute zerstörten Werks. Das Deckenbild war eine gemalte, illusionistische Weiterführung der Architektur des Zimmers und eröffnete den Betrachtern einen Blick in den gemalten Himmel.

Der Stich zeigt oben rechts den Götterboten Merkur, der den vier Weltteilen das Bild Charlesʼ II präsentiert. Die Personifikation Europas thront links im Vordergrund und hält ein Füllhorn. Asien legt ihr den Arm um die Schultern. Dahinter sitzt Afrika, erkennbar an dem Elefantenrüssel auf ihrem Kopf. Die mit einem Federkopfschmuck ausgezeichnete Personifikation Amerikas erhebt im Hintergrund staunend die Hände. Alle blicken ehrfürchtig zu dem Porträt Charlesʼ II auf.

Verrios Gemälde suggerierte, dass die ganze Welt voller Bewunderung auf den englischen König schaue. Insofern diente es gewissermaßen als eine Handlungsanweisung für die Besucher, die sich zum öffentlichen Mittagessen des Königs einfanden: Auch sie sollten Charles II entsprechende Verehrung entgegenbringen.

– S. Wo.

 

 

Mythologische Götter zusammen an und um einen großen Tisch
Antonio Verrio, Göttermahl. Deckengemälde des sogenannten „Eating Room“ von Windsor Castle, 1676–1678 (Kat. Nr. 4.3)

Zusätzlich zum King’s Presence Chamber, wo die öffentlichen Mahlzeiten eingenommen wurden, verfügte Windsor Castle über einen speziellen „Eating Room“. Das Zimmer lag in der Nähe von Charlesʼ Schlafzimmer und konnte für privatere Essen mit Freunden und Familie genutzt werden.

Das Deckengemälde von Antonio Verrio gehört zu den wenigen Raumausstattungen, die sich aus der Zeit Charlesʼ II noch original erhalten haben. Es zeigt feiernde Gottheiten um eine prachtvoll ausgestaltete himmlische Festtafel. Unter dem Tisch befinden sich ein Adler mit Blitzen und ein Pfau, Attribute der Götter Jupiter und Juno, die den Olymp regieren. Das ranghöchste Götterpaar steht hier symbolisch für das englische Königspaar.

Um den Tisch haben sich auf den Wolken Schaulustige versammelt, die das Geschehen in der Mitte mitverfolgen ‒ eine Anspielung auf den englischen Brauch des „public dining“. Rechts oben sind die drei Grazien zu erkennen. Links oben sitzen die sieben Musen, angeführt von Apoll, der sich einen musikalischen Wettstreit mit dem bocksbeinigen Marsyas liefert. Marsyas spielt die Panflöte, während Apoll das Lieblingsinstrument des Königs präsentiert, die Gitarre. Dies verweist darauf, dass zu einem guten Essen am Königshof auch Tafelmusik gehörte.

S. Wo.

 

All is well that ends well

Schale und Wasserkrug in Gold
Unbekannte Kunsthandwerker, Schale mit Wasserkrug, etwa 1660/61 und 1690 (Kat. Nr. 4.4)

Ein festliches Essen schloss mit dem Ritual des Händewaschens ab. Dies erfolgte am Königshof mit Rosenwasser aus einer goldenen Schale und mit einem Wasserkrug.

Die reich geschmückte Schale zeigt in ihrem Zentrum eine gekrönte englische Rose mit vier Blättern. Im mittleren Ring sind vier von den zwölf Arbeiten des Herkules zu sehen. Der äußere Ring der Schale stellt unter anderem eine Kanone, Kriegstrophäen und eine Kriegstrommel dar. Da die Schale direkt nach Charlesʼ Rückkehr aus dem Exil entstand, dürften die kriegerischen Motive und kämpferischen Szenen auf die Rückgewinnung des englischen Throns anspielen. Der zugehörige Wasserkrug ging verloren und wurde 1690 durch ein neues Modell ersetzt.

Nach dem öffentlichen Ritual des Heilens erfolgte ebenfalls eine Handwaschung. Zwei Adelige und der Lord Chamberlain assistierten dem König dabei. Einer hielt ihm die Schale, ein zweiter goss Wasser über die Hände des Königs und ein dritter reichte ihm ein frisches Tuch. Das Zeremoniell nach dem „public dining“ dürfte ebenso abgelaufen sein.

Y. Tj.

 

 

Exotisch essen

Gärtner und Charles II im Schlossgarten
Hendrick Danckerts (zugeschrieben), Der Gärtner John Rose überreicht Charles II eine Ananas, ca. 1677 (Kat. Nr. 4.5)

Auf den Esstisch des Königs kamen exotische und importierte Lebensmittel. Die Ananas oder King-Pine, wie sie von John Evelyn genannt wurde, war eine Neuheit. Evelyn, der neben dem Tisch von Charles II stand und vom Teller des Königs selbst ein Stück zum Probieren erhielt, beschreibt seine erste Begegnung mit dem Obst als enttäuschend.

“in my opinion it falls short of those ravishing varieties of deliciousness describ’d in Capt. Ligon’s History, and others; but possibly it might, or certainly was, much impair’d in coming so far.”
(John Evelyn, Tagebuch, 19. August 1668)

John Rose soll es erstmals gelungen sein, eine Ananas in England zu züchten. In Danckerts Gemälde überreicht Rose dem König die Frucht vor der Kulisse eines bislang nicht identifizierten Landhauses. Charles II erscheint in bescheidener Alltagskleidung, die nur durch den Stern des Hosenbandordens von seinem Rang zeugt. Das Gemälde kann auf ca. 1677 datiert werden, da der König in diesem Jahr den Schnurrbart abrasierte, den er seit mindestens 1660 getragen hatte. 1677 starb John Rose, so dass das Bild eventuell zur Erinnerung an ihn gemalt wurde.

Das Gemälde suggeriert, dass die Pflanzen draußen in Töpfen angebaut wurden. Wegen des ungeeigneten Klimas ist aber zu bezweifeln, dass die Ananas in den 1670er Jahren in England erfolgreich gezüchtet wurde. Die Methode des Ananasanbaus in geheizten Gewächshäusern kam erst im 18. Jahrhundert auf. Evelyn spricht in seinem Tagebuch ja auch von einer importierten Frucht. So ist Danckerts Gemälde vielleicht eher als ein Fall von „wishful thinking“ einzuordnen.

Y. Tj.

Ylva Tjelle spricht über die Kolonialware „Ananas“.


Tjelle

 

Fünf Teeschalen, eine Teekanne, und ein Löffel auf einem Tisch
Pieter Gerritsz van Roestraten, Stillleben mit chinesischen Teeschalen, 1670 (Kat. Nr. 4.6)

Charles II und seine Zeitgenossen waren fasziniert von exotischen Objekten und Lebensmitteln. Das Prunkstilleben des niederländischen Malers Pieter Gerritsz van Roestraten stellt ein Tischgedeck mit fünf chinesischen Porzellantassen, einem Zuckerbehälter und einer Teekanne dar. Die weißen Tassen sind im chinesischen Stil mit blauer Farbe dekoriert worden.

Charlesʼ Heirat mit Catherine of Braganza aus Portugal eröffnete England den Weg zu den asiatischen Ländern. Die Königin bringt an den englischen Hof nicht nur die Begeisterung für asiatische Dekorationen und Behälter mit, sondern führt auch den aus Asien stammenden Brauch des Teetrinkens ein. Das Besitzen und Konsumieren solcher Luxusgüter war in der höheren Gesellschaft sehr begehrt und galt als ein Ausdruck des Wohlstands. Besonders der aus China stammende Tee entwickelte sich in England zu einem beliebten Getränk. Aufgrund der hohen Nachfrage wurde die Teeproduktion nach Indien verlegt, was den Handel erleichterte.

S. Wo.

Suzanne Wong spricht über den Tee und das Porzellan.


Wong

 

 

 

Silberne Kaffeekanne mit Gravur
George Garthorne, Silberne Kaffeekanne, 1681/82 (Kat. Nr. 4.7)

Manche Waren, die heute ein fester Bestandteil des britischen Konsums sind, wurden erstmals zur Zeit von Charles II in England populär. In der Konkurrenz zu Tee stand der ebenfalls noch aufregend neuartige Kaffee. Seine Beliebtheit stieg in den Jahren 1665 und 1666 deutlich an, als osmanische Botschafter während extravaganter Soireen das Getränk ausschenkten. Da Coffeehouses auch Orte der politischen Diskussion waren, sah sich der König sogar genötigt, Kaffeehäuser zeitweilig zu verbieten.

“Whereas it is most apparent, that the Multitude of Coffee-Houses of late years set up and kept within this Kingdom […]  have produced very evil and dangerous effects; as well for that many Tradesmen and others, do therein mis-spend much of their time […] but also, for that in such Houses, and by occasion of the meetings of such persons therein, diverse False, Malitious and Scandalous Reports are devised and spread abroad […]; His Majesty hath thought it fit and necessary, That the said Coffee-houses be (for the future) Put down and Suppressed”
(Charles II, A Proclamation for the Suppression of Coffee-Houses, London 1675)

Die hier abgebildete Kaffeekanne ist Vorbildern aus der Türkei von Beginn der 1680er Jahre nachempfunden. Die Initialen „GG“ auf der Kanne erlauben eine Zuschreibung an den Gold- und Silberschmied George Garthorne. Eine weitere Inschrift lautet „The Guift of Richard Sterne Eq. to ye Honorable East India Comp.“.  Der in der Inschrift angesprochene Richard Sterne könnte ein Parlamentsabgeordneter aus Yorkshire gewesen sein, der eine große Menge von Aktienpapieren in der Ostindischen Kompanie besaß.

Y. Tj.

 

Eindruck machen

Ein silbervergoldetes Tafelsalz in Form eines Turms
Johann Hass, Salt of State, ca. 1630 (Kat. Nr. 4.8)

Nur zu ganz besonderen Gelegenheiten wurde das sogenannte „Salt of State“ hervorgeholt. Es schmückte die königliche Tafel bei Krönungen und war ansonsten im Tower of London weggeschlossen, wo Besucher es zusammen mit den britischen Kronjuwelen besichtigen konnten.

Das Objekt aus vergoldetem Silber und Emaille wurde von dem aus Hamburg stammenden Goldschmied Johann Hass ca. 1630 angefertigt und war für die Aufbewahrung von Gewürzen gedacht. Es stellt eine Festung auf quadratischem Grundriss in einer hügeligen Landschaft dar, verziert mit einer Vielzahl an Edelsteinen.

Das „Salt of Sate“ war 1657 als Versöhnungsgeschenk für den russischen Zaren Alexei Mikhailovich angekauft worden, doch gelang es dem britischen Gesandten nicht, es zu überbringen. Der Goldschmied Robert Vyner vermittelte das außergewöhnliche Werk daraufhin an die Stadt Exeter, die es Charles II 1660 anlässlich seiner Thronbesteigung überreichte.

S. Wo.

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